Über den Namensgeber


Wer ist Fercher von Steinwand?

Unter rauhen Umständen wurde Johann Kleinfercher (sein Geburtsname) geboren. Sein Vater, Georg Frohnwisser, ein stattlicher Bursche aus Feldkirchen im mittleren Kärnten, führte eine glücklose Ehe auf einem gepachteten Anwesen. In diesen sauren Zeiten kam Anna Kleinfercher als Magd in seine Dienste. Es kam, wie es wohl kommen musste und es hiess Josef - das erste Kind der beiden. Mittlerweile war Georgs rechtmässige Ehefrau gestorben. Das Hauswesen war völlig zerrüttet. In dieser Zeit empfing Anna von Georg ihren zweiten Sohn - den Johann. Haus und Hof wurden Georg genommen und er musste Anna hochschwanger zu ihren Eltern schicken. Diese aber stiessen das gottlose Kind von der Schwelle ihres Hauses und Anna fand mit Mühe in der Steinwand ein Plätzchen, wo sie Johann gebären konnte.

Fercher schreibt:
"Ich begann mein Leben am 22. März 1828 auf den Höhen der Steinwand über den Ufern der Möll in Kärnten, also in der Mitte einer trotzigen Gemeinde von hochhäuptigen Bergen, unter deren gebieterischer Grösse der belastete Mensch beständig zu verarmen scheint. Eine strenge Mutter, nicht ohne Heftigkeit, ein Vater, entschiedenen Herzens, doch geizig an Worten, schickten mich bereits im fünften Jahr in die entlegene Schule und zur - Beichte. Der Herr Ortspfarrer von St. Georgen zu Stall entdeckte, dass der scheinbar schroffe Junge schon ganz trefflich das Gute vom Bösen zu unterscheiden wisse. Ihm beistimmend zur Seite stand der tapfre Kaplan Johann Tanzenberger, eines ehrenden Gedenkens würdig. Denn er lehrte seinen eifrigen Zögling beizeiten das ala-œ und sum-es-est kennen."

Als Kind einer ledigen Magd hatte es Fercher nicht eben leicht. Not, Hunger, körperliche und Seelenschmerzen waren seine ständigen Begleiter. Aber er hatte lesen gelernt. Und er las, was es zu lesen gab: alte Bibeln, Hauspostillen und Messbücher. Mit etwa neun Jahren kam er nach Stallhofen, um als Mesnergehilfe zu dienen und die Schule in Obervellach zu besuchen.
Dort hatte er Gelegenheit, seinen Vater öfter zu sehen. Dessen lebhaftes Gemüt und reger Geist und die Bekanntschaft mit zwei Büchern - ein altes Predigtbuch und Fragmente von Schillers Räuber, daraus er heimlich viele Stellen auswendig lernte - weckten seinen Geist. So angeregt, predigte er abends zu den Mägden und Knechten, die ihn ermunterten "Håns, du musst wohl Geischtlener wern, predigen kånnste ja sakarisch". Fercher bat seine Mutter, ihn studieren zu lassen.

Zunächst wurde Fercher im Herbst 1841 ins Benediktiner-Gymnasium in Klagenfurt aufgenommen. Er erhielt eine Stelle als Familiar und hatte ein kostenloses Quartier beim Leiter des Gymnasiums Pater Joseph Heilmann. Alles lief gut bis 1843.
Fercher war nun 15 Jahre alt, Latein und Arithmetik vernebelten seinen Geist und er fand Erfrischung in wilden und grotesken Raubrittergeschichten, welche mit einigen Kameraden heimlich gegen Eintritt als Bühnenkunst zum besten gegeben wurden. Die Kunst florierte gut. Pater Joseph bekam Wind von dieser Sache und leitete die Inquisiton ein. Mit Mühe konnte Fercher sein Studium fortsetzen.
Wild bewegte Jahre folgten, er war zum Haupte einer heimlich gegründeten Studenten-Burschenschaft geworden, deren Inhalte zwar nicht politisch waren, sich vielmehr um "Glaube, Hoffnung und (Freundes-)Liebe" drehte - Gedichte wurden gelesen, eine Zeitschrift gemeinsam verfasst. Dennoch wurde Fercher politisch verdächtig und zu Unrecht zum Dienst im Kaiserheer einberufen, welchem er durch Krankheit und Freundeshilfe und Glück entgehen konnte. Einer neuerlichen Rekrutierung ausweichen wollend, zog es ihn im Jahr 1849 nach Görz, wo er in kurzer Zeit Prüfungen über drei Gymnasialsemester ablegen konnte.

Fercher zieht es weiter:
"Mit meinen Wertpapieren, die natürlich nichts als Schulzeugnisse vorstellen, knapp an der Brust, meldete ich mich in Graz beim Dekan. Das war der Professor Edlauer, ein Kriminalist von bedeutendem Ruf. 'Er hoffte mich zu sehen (sprach er) als fleissigen Zuhörer in seinem Kollegium, er werde über Naturrecht lesen.' Hinter dem Vorhang dieser harmlosen Ankündigung führte er uns das ganze Semester hindurch in begeisternden Vorträgen die deutschen Philosophen vor, die unter der väterlichen Obsorge unserer geistigen Vormünder wohlmeinend durch Verbote fern gehalten worden waren: Fichte, Schelling, Hegel und so weiter, also Helden, das heisst Begründer und Befruchter alles reinen Denkgebietes, Sprachgeber und Begriffschöpfer für jede andere Wissenschaft, mithin erlauchte Namen, die heutzutage von unseren Gassenecken leuchten und sich dort in ihrer eigentümlichen diamentenen Klarheit fast wunderlich ausnehmen. Dieses Semester war meine vita nuova!"

Fercher zieht es nach Wien:
Er belegt im Theresianum Alt-, Mittel- und Neuhochdeutsch und römische Literatur. Das Theater, das Drama ist ihm ausserordentlich wichtig - "... manchmal kömmt mir vor, ich möchte die ganze deutsche Geschichte verschlingen und sie in Dramen ausspeien, während mein Magen seit vielleicht drei Tagen an Pentametern (Fünf-Kreuzer-Broten) verdaut." "Verse, als regnete es bekränzte Vesuve!" - so urteilen seine Freunde über Fercher. Aber er kann kaum schreiben. Sein eigenes Leben ist ein Drama. Er haust in einem kleinen Zimmer ohne Ofen, er erkrankt schwer an Hungertyphus. Dr. Bötticher, ein literarisch interessierter Arzt, der manches von Fercher gelesen und ihn kennengelernt hatte, bietet ihm freie Wohnung und Pflege an und rettet ihm so das Leben. Die Folgen der Krankheit haben Fercher das ganze Leben begleitet.
Das Ehepaar Bötticher adoptiert Fercher und das Haus in Wien wird ein ruhender Punkt für ihn.
Fercher studiert weitere neun Semester, eben auch Sternkunde, über die er auf dem Hintergrund der Niederschlagung der Revolution in Österreich schreibt: "... Nur die erhabenste Wissenschaft, die Sternkunde, behielt und bewahrte ihre alte Turmherberge, wie vergessen im Wirbel der ungestümen und feindseligen Tage. Um mich von dem unruhigen Missbehagen zu befreien, das mir mein geringer Einblick in den unermesslichen, ideenbevölkerten Lichtstaat einflösste, besuchte ich drei Jahre hindurch die Schule der Sterne. Das war für Gemüt und Geist eine Aufrichtung, ein immer wieder zu Herzen sprechender Trost."
Die politische Lage kritisiert er stark. In seinem berühmten Zigeuner-Vortrag heisst es: "General Buonaparte führte eine neue Betriebsmacht in die Weltgeschichte ein, nämlich die vollendetste Verachtung der Götter und Menschen als Regierungsgrundsatz ..."

Fercher studiert nun ernsthafter, gibt Unterricht in vornehmen Familien, wirkt in der Redaktion einer Zeitschrift mit und wird regelmässig schriftstellerisch tätig bis hin zu seinem Entschluss - auf einen gesicherten Beruf zu verzichten und die schweren Pflichten eines freien Dichterlebens auf sich zu nehmen. Es drängt ihn die ganze Geschichte der Menschheit und der Natur umfassend darzustellen in einem Epos von 200 Gesängen. Alles was er sich an Sternenkunde, Natur- und Weltgeschichte angeeignet hat, sollte keinem äusseren Berufe, sondern diesem grossen Plane dienen.

Er nimmt sich dafür 40 Jahre Zeit.

Dieser Text wurde erstellt unter Zuhilfenahme von "Fercher von Steinwand, Friedrich Zauner, Verlag am Goetheanum"

Einen Künstler mit hoher und umfassender Bildung zum Namenspatron zu wählen, ist leicht und schwer zugleich. Kaum hat man sich entschieden, werden Maszstäbe abgeleitet, Vergleiche angestellt und die Frage entsteht, ob man nun Verehrer der Werke, der Person oder Epigone im weitesten Sinne sein will. All dies wollen wir nicht in Anspruch nehmen. Wir wollen erinnern an einen vergessenen Künstler und unser Verbunden-sein-wollen mit der Individualität Ferchers zum Ausdruck bringen. Dabei haben uns weniger seine Werke geleitet als seine Motive. Es ist Ferchers besondere Affinität zu Zigeunern, die uns bei der Wahl unseres Namenspatrons besonders inspiriert hat.
Nicht nur Gutes über Zigeuner wird von Fercher gesagt und geschrieben. Seine enge Verbundenheit mit der Ideenwelt aber stellt ihn selbst, wie andere Versteher auch in die Nähe der geliebten Sache. Und wenn es etwas gibt, in dem wir Fercher nacheifern wollen, dann eben in dieser Verbundenheit. Das "Zigeunertum" unserer Zeit ist von anderen Gewohnheiten geprägt und es muss nicht das ruhelose Umherschweifen als zentrales Vorurteil bedient werden. Wir sehen den kulturellen Austausch, die kulturelle Befruchtung als den hauptsächlichen Aspekt unserer Vereinstätigkeit und fühlen uns daher mit unserem Namen unter dem richtigen Patron.