bedrohte Haustierrassen


Hansjörg Glauner über die Gründe für die Erhaltung vom Aussterben bedrohter Haustierrassen durch den Fercher von Steinwand e.V.
Einhergehend mit dem zivilisatorischen Fortschritt des Menschen wandelten sich auch die Zuchtziele in der Nutztierhaltung. Die Motorisierung von Landwirtschaft und Gewerbe machten wie Rind und Pferd als Zugtiere, Arbeitstiere überflüssig. Insbesondere die auf Arbeitsleistung gezüchteten Kaltblüter verschwanden fast völlig. Auch die bisher wegen ihrer guten Arbeitsleistung geschätzten Dreinutzungs-Rinderrassen (Zugkraft, Fleisch und Milch) hatten nur dann eine Überlebenschance, wenn ein anderes Zuchtziel verfolgt wurde oder Umzüchtungen vorgenommen wurden (Zweinutzungs- bzw. Einnutzungsrassen!)
Die Spezialisierung in der Landwirtschaft brachte es mit sich, daß heute zumeist nur eine Tierart auf den Betrieben gehalten wird, ja sogar nur eine bestimmte Alter- und Geschlechtsgruppe einer Nutztierart, wo früher Rinder, Schafe, Pferde, verschiedene Geflügelarten vorhanden waren. Solche Betriebe legen besonderen Wert auf hohe Leistung und geben die Zucht und Haltung von Rassen minderer Leistung selbst dann auf, wenn diese weniger anspruchsvoll in Haltung und Pflege sind. Es gibt gemischte Ackerbau- und Viehzuchtgebiete, in denen die Viehhaltung ganz aufgegeben wurde, was dazu führte, daß bodenständige Landrassen (auch "Landschläge") völlig verschwanden. So sind Rinderrassen entscheidend vermindert oder ganz verschwunden durch wachsenden Wohlstand, vermehrten Wein- und Tabakkonsum und damit erweiterte Anbauflächen für diese Pflanzkulturen. Auch die Verzehrgewohnheiten des Menschen ändern sich und somit die Gewichtung beispielsweise in der Schweinezüchtung. Das Deutsche Weideschwein wurde in der Feldweide eingesetzt um Ernterückstände nutzen und in der Waldweide um Saatbett für die natürliche Verjüngung des Forstbestandes zu schaffen, oder auch um die Hausabfälle zu verwerten. Die starke Neigung dieser Schweinerasse zum Fettansatz wird heute jedoch nicht mehr geschätzt. Die Zucht auf "wertvolle Teilstücke" (das Schwein mit einer Rippe mehr) wurde gefördert; das Weideschwein fand züchterisch keinen Anschluss mehr.
Die Erhaltung und Pflege alter Landrassen und der Rassevielfalt ist keine rein nostalgische und kulturhistorische Angelegenheit, sondern auch eine vorbeugende Maßnahme. Nur mit der Rückgriffmöglichkeit auf eine mannigfaltige Anzahl von Rassen kann sich die Tierhaltung auf künftige Entwicklungen und Bedürfnisse einstellen.
Aus wirtschaftlichen Gründen ist es heute immer wieder erforderlich in der Züchtung auf bisher vernachlässigte Eigenschaften (Fleischqualität, Langlebigkeit, Fruchtbarkeit) zurückzugreifen. So hat man beispielsweise vor einigen Jahren Schafe aus Finnland mit dem Ziel, die Fruchtbarkeit in bestimmten, modernen deutschen Schafrassen zu verbessern zur Einkreuzung eingesetzt.
Einige Rassen dienen jedoch - neben ihrer wirtschaftlichen Leistung - der Erhaltung des Landschaftsbildes. Dies ist eine Aufgabe, die der Allgemeinheit zugute kommt und die von den Tierhaltern praktisch kostenlos erfüllt wird! Ein klassisches Beispiel hierfür sind die Heidschnucken in der Lüneburger Heide, oder die Hinterwälder Kühe, Mitteleuropas kleinste Rinderrasse in den Höhenlagen des Südschwarzwaldes.
Würde man die Tierhaltung mit vom Aussterben bedrohter Rassen in den landwirtschaftlich ertragsschwachen Gebieten in Deutschland aufgeben (in Gebirgslagen, in Feuchtgebieten, auf Grenzertragsstandorten etc.) so wäre die damit verbundene Offenhaltung der Landschaft nicht mehr gewährleistet und der Reiz vieler Landschaften ginge verloren. Mit modernen Leistungstieren ist in diesen Regionen eine Bewirtschaftung nicht möglich.


Zur Viehhaltung in der Hausee
Das vor acht Jahren vom Fercher von Steinwand e.V. übernommene Anwesen "Hausee" mit ca. 3 ha Grünland (Wiesen und Weiden) wurde anfänglich mit Allgäuer Braunvieh beweidet. Es zeigte sich bald, daß diese Rasse für unsere feuchten, anmoorigen Wiesen zu schwer ist. Um weitere Trittschäden zu vermeiden entstand die Überlegung, nach einer geeigneteren Viehrasse Ausschau zu halten. Für die Weideverhältnisse auf der "Hausee" erschien uns wichtig: geringes Lebendgewicht, Fruchtbarkeit, Robustheit, Genügsamkeit, Weidetauglichkeit und Langlebigkeit. In der Milchleistung erwarteten wir nicht quantitative Hochleistungen, sondern Nachhaltigkeit und ausgewogene Zusammensetzung der Milchinhaltsstoffe. So stießen wir auf das "Hinterwälder Vieh", einer im Südschwarzwald beheimateten Fleckviehrasse. Diese, aus dem Simmentaler Fleckvieh gezüchtete Landrasse, ist in besonderer Weise an die Verhältnisse bestimmter Regionen im Südschwarzwald angepasst. Sie lässt sich sowohl auf karg bewachsenen Steilhängen als auch in feuchten Flußtälern halten. 1990 erwarben wir direkt aus dem Zuchtgebiet zwei Kuhkälber und ein Bullenkalb zur Aufzucht bei uns und zur Erprobung unter hiesigen Verhältnissen. Mittlerweile sind aus den Kälbern Kühe geworden, die bereits fünfmal problemlos gekalbt haben.
Unsere Erwartungen an diese Rasse an diesem Standort sind erfüllt worden. Darüber hinaus hat sich gezeigt, daß die ausgewachsenen Kühe auch für im Umgang mit größeren Tieren ungeübte Praktikanten und Besucher sehr geeignet sind. Durch ihre geringe Widerristhöhe, geringes Gewicht und ihre Friedfertigkeit lassen sie sich sehr gut als "Lernkühe" einsetzen. Etliche Handmelkkurse haben sie schon geduldig überstanden. Mittlerweile pflegen wir mit drei Hinterwälder Kühen sowie Nachzucht und einigen Schafen rund 5 ha Grünland.

Ergänzende Beweidung durch Schafe
Im Gegensatz zu dem anfänglich eingesetzen Allgäuer Braunvieh sind die "Hinterwälder" bessere Grünlandpfleger da sie Grünlandproblemkrauter wie 'Breitblättriger Ampfer' nicht meiden. Doch gibt es bei uns einige Flächen, die selbst für die leichten "Hinterwälder" zu feucht sind, und deren Pflanzenzusammensetzung einen zu geringen Futterwert erbringen. Hier lassen wir eine Kreuzung aus Merino- und Bergschafen weiden. Auf diesen Flächen konnten wir nach intensiver Schafbeweisung eine Verbesserung der Grasnarbe feststellen, konkret den Rückgang von Kohldistel und Wiesenlabkraut zugunsten von feineren Untergräsern.
Unter Mithilfe eines Praktikanten aus Kroatien wurde ein verschiebbarer Schafpferch gebaut, der zur ergänzenden Nachbeweisung der von den Kühen abgeweideten Flächen und an Standorten, an denen sich weder eine Beweidung durch Rinder noch ein Mähen mit dem Traktor empfiehlt, eingesetzt.

Weitere Erfahrungen mit der Haltung alter Haustierrassen
Auf der Suche nach einer, für unsere Maßstäbe, geeigneten Schweinerasse stießen wir auf das Schwäbisch-Hällische Schwein. Bis vor wenigen Jahren war es vom Aussterben bedroht, die Erhaltung dieser Rasse ist einigen hartnäckigen Züchtern im Raum Schwäbisch Hall zu verdanken, die Feinkostläden und Restaurants mit der sehr guten Fleischqualität beliefern.
Mit den besonderen Eigenschaften dieser Rasse, wie Robustheit, Frühreife, große Fruchtbarkeit, Milchreichtum der Muttersauen und sehr guter Aufzuchtsleistung erwies sich diese Rasse als gut geeignet für unsere Freilandhaltung.
Der Verein konnte damit dem Anliegen der in Dürnau ansässigen Mitglieder und anderer Dürnauer Haushalte nachkommen, anfallende Küchenabfälle sinnvoll zu verwerten. Ein weiteres Ansinnen war, den natürlichen Wühltrieb der Schweine zur Urbarmachung von Grünland in Gartenland einzusetzen. So wurde jedes Jahr ein neues Stück Grünland abgetrennt und nachdem es von den Schweinen "durchgearbeitet" war, zur weiteren Bearbeitung in den Hanggarten einbezogen. Recht bald sahen auch mehrere Gaststätten und Einrichtungen aus Bad Buchau durch unsere Schweinehaltung eine konstruktive Alternative zur Entsorgung der Küchenabfälle über den Hausmüll, und baten uns, sie regelmäßig anzufahren.
Leider wurde uns vor zwei Jahren im Zusammenhang mit gehäuft auftretenden Fällen von Schweinepest bekannt, daß Gastronomie- und Küchenabfälle einer besonders aufwendigen Hitzebehandlung unterzogen werden müssen, um zur Verfütterung genehmigt zu werden. Der Kauf einer entsprechenden Abkochanlage ist für uns momentan nicht leistbar; wir suchen derzeit noch nach Möglichkeiten, eine solche zu beschaffen, um dann die Schweinehaltung und die damit verbundene Entsorgungskette wieder aufnehmen zu können.