Sortenvergleich


Bericht von Hanson Gildemeister über seine Arbeit innerhalb der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Fercher von Steinwand e.V., sowie Übersicht über den Verlauf meiner Versuche zum Sortenvergleich und Saatgutvermehrung bei Buschbohnen auf dem Gartengelände des Vereins

Als Student des Windham College, Vermont/USA, vertiefte ich 1974 in London/GB meine anthropologischen Studien und beschloss, nach Sprachstudium am Goethe-Institut in Freiburg/D, eine Ausbildung in einer deutschen heilpädagogischen Einrichtung mit Landwirtschaft zu beginnen (Lebens- und Arbeitsgemeinschaft für seelenpflegebedürftige Erwachsene am Belchen). Nach einem 1-jährigen Praktikum dort machte ich eine Lehre auf dem biologisch-dynamisch arbeitenden Talhof bei Heidenheim, die ich im Herbst 1978 mit dem Gehilfenbrief abschloss.
Weiter folgten ein 2-jähriges Studium an der höheren Landbauschule Herford, die ich als staatlich geprüfter Landwirt (Techniker) verliess. 2 weitere Jahre nutzte ich in Witten-Annen, um als Gartenbaulehrer an Institut für Waldorfpädagogik eine weiteren Bereich meines Interessengebietes zu vertiefen. Als Dozent für Gartenbau in Witten-Annen bekam ich ersten Kontakt mit Forschungsarbeiten der biologisch-dynamischen Saatgutzüchtung - hier im Getreidebau. 1 landwirtschaftliches Studienjahr am Dottenfelderhof (Landbaushule) bewog mich, selbst als Forschender weiterzuarbeiten, und die Begegnung mit Peter Raatsie, Pflanzenzuchtverein Mainleus, liess mich die Patenschaft für dort erhaltenes Saatgut verschiedener Buschbohnen, hauptsächlich alter Landsorten, übernehmen.
Auf dem Wege, Kriterien zum Sortenvergleich und zur Saatgutvermehrung zu erarbeiten, war ich froh, im Frühjahr 1993 von Mitgliedern des Fercher von Steinwand Vereins angesprochen zu werden, um vom Verein bereits begonnene Versuchsreihen zur Vermehrung biologisch-dynamischen Saatguts wiederaufzunehmen. Auch mein Interesse an der Erarbeitung neuer sozialer Umgangsformen in landwirtschaftlichen Projekten wurde berührt, und von Mai 1993 bis Oktober 1993 konnte ich meine Forschungsinteressen im Rahmen und auf dem Gelände des Vereins verfolgen. Das Angebot von Unterkunft und Verpflegung ermöglichte mir somit eine Betreuung der Pflanzen in allen Entwicklungsstadien.
Meine Mithilfe bei den nicht arbeitsteilig organisierten landwirtschaftlichen Arbeiten des Vereins ermöglichte mir zusätzlich zu den Beobachtungen des Saatgutversuchs einen Einblick in wichtige Zielsetzungen des Vereinslebens: umgeben von konventionell bewirtschafteten, ja auch zur Brache, zu stillgelegten Flächen deklarierten Anbaugebieten, bietet die Hausee schon allein vom äusseren Erscheinungsbild eine Vielfalt ökologischer Nischen, die vom gestalterischen Willen zeugt, auch in ganz anderen Bereichen vollerwerbstätigen Menschen die Möglichkeit zu geben, Kulturlandschaft zu pflegen.
Ich habe nicht nur einen Schritt in meinem Forschungsgebiet tun können dadurch, dass hier relativ "unbelastetes" Land (seit der Übernahme durch den Verein nur mit Düngung aus dem eigenen Betriebskreislauf versorgt) für die Weiterentwicklung robuster Landbohnensorten bzw. zur Prüfung weitergezüchteter, moderner Sorten mir angetragen wurde, sonderen auch einen Ansatz gefunden, neue soziale Zusammenhänge erarbeiten zu können, die eine angemessene, den nötigen Umwandlungsprozessen in der Landwirtschaft Rechnung tragende Form der Landpflege ermöglichen. Über die - bei geringem Maschineneinsatz und hohem Arbeitsaufwand nicht im Vordergrund stehende - Möglichkeit hinaus, bei angemessener Pflege des Landes einen Ertrag an pflanzlichen und tierischen Nahrungsmittel sozusagen als Folge der Bemühungen um die Kultivierung zu erhalten, haben im Rahmen des Fercher von Steinwand e.V. besonders auch Nicht-Landwirte, Tätige aller Branchen, hier eine wertvolle Gelegenheit, Nähe, Verständnis, Wissen und Ausgleich im Erleben kulturpflegerischer Massnahmen zu gewinnen.
Die im Folgenden veranschaulichten Arbeiten in der Hausee an den Saatgutversuchen haben mich einen Schritt im Hinblick auf künftige Auswertungen weitergebracht und werden von mir fortgeführt.

Versuchsablauf Mai 1993 - Oktober 1993

Aussaat Mitte Mai: Die mit den Ziffern 8-23 versehenen, in Diagrammen gekennzeichneten Sorten kamen zur Aussaat:

8) Marona/Bingenheim
9) Landsorte Becker (beige)
10) Purple Teepee
11) Cropper Teepee
12) Odenwald (weiss)
13) Odenwald (fein lila marmoriert)
14) Odenwald (stark lila marmoriert)
15) Landsorte Becker (gelb)
16) Jade (weiss)
17) Jade (grün)
18) Provider /USA
19) Jumbo/USA
20) Bodil/Nepal
21) Maxi (2. Satz 1992)
22) Maxi (1. Satz 1992)
23) Holländische Prinzessbohne

1987 noch Wiese, wurde der heutige Gartenboden von Schwäbisch Hällischen Schweinen gut durchlüftet und gedüngt. Auch wenn eine variable Schichtdicke des A-Horizonts vorliegt ist doch ein spürbarer Fortschritt in der Fruchtbarkeit der garen Scholle vorhanden. Der Garten in Hanglage ist gut durchfeuchtet; Untergrundwasser strebt den tiefer gelegenen, anmoorigen Riedflächen zu. Die Durchlüftung des Bodens sowie die Versorgung mit Kompost aus eigenem Betriebskreislauf fördern auch die Tätigkeit der Regenwürmer und der aeroben Bakterien, wodurch die leicht eintretende Übersäuerung der Böden dieser Gegend unter Kontrolle gehalten werden kann.
Auf diesem Stück Erde legte ich in beiliegendem Diagramm veranschaulichte Reihen o.a. Bohnensorten an. Ich nutzte jeweils 1 m2 für jede Sorte, belegte 3 Reihen und säte von Hand, um gleichen Quantitäten zu gewährleisten. Die mittlere Reihe düngte ich mit Kompost.
Hacken und jäten wurden bis zur Ernte Mitte September /Anfang Oktober neben der Beobachtung des Keimens der Saat und der Blütenentwicklung meine begleitenden Arbeiten. Nach der Trocknung des Erntegutes drosch ich die Schoten durch Reiben zwischen meinen lederbehandschuhten Händen. Die Reinigung der Samen nahm ich durch Ausblasen, auch mithilfe des Windes, vor. Zur Auswertung des Versuchs erstellte ich beiliegende Schaubilder und Notizen.

Zusammenfassung der Beobachtungen
Die Sorten, die Landsorten sind ( wie 9, Becker), oder landsorten-ähnlichen Charakter haben (alte Sorten wie Odenwald 12, 12, 14 oder Nepal, 20, haben die besten Ergebnisse gezeigt hinsichtlich Ertrag und Widerstandsfähigkeit. Bei diesen Sorten mag die Qualität nicht so gut sein wie die der moderneren Sorten (Cropper Teepee, 10, Jumbo, 19, Maxi, 21, 22, oder Holländische Prinzess, 23, hinsichtlich Jahreszeit im Geschmack, Fadenlosigkeit und Essbarkeit allgemein, aber sie besitzen Eigenschaften, die für eine Weiterzüchtung unerlässlich sind. Wenn die Umweltbedingungen immer schwieriger werden durch Schadstoffbelastung, Schädlingsbefall (vor allem Schnecken und Pilze), und Klimaveränderungen, ist es vor allem gerade im biologischen Anbau von immanenter Bedeutung, dass es Sorten gibt, die anpassungsfähig sind und bei weniger guten Standortbedingungen gut gedeihen können.
Die moderneren Sorten laufen Gefahr zu degenerieren, wenn sie nicht beste Bedingungen haben. Im Falle der Sorte Maxi, 21, 22, war eine sehr starke Verpilzung eingetreten. Bei der 2. Reihe im Beet, die eine gedüngte Variante war (wie bei allen anderen Sorten), zeigte sich eine Verbesserung im Ertrag. Die Sorte scheint angewiesen zu sein auf Dünger und Spritzmittel gegen Pilze. Es stellt sich die Frage, wie lange sich eine solche Sorte überhaupt halten kann ohne zu entarten bzw. starke Ertragsdepressionen zu zeigen. Die Landsorten und ähnlich Typen sind erfahrungsgemäss nicht so stark gefährdet - sie zeigen eine Ertrags- und Leistungsstabilität. Sie entwickeln eine hohe oberirdische Biomasse und selbst die Wurzeln sind stark ausgebildet. Die Bohne als Leguminose lebt in ihren Wurzeln in Symbiose mit stickstoffbindenden Bakterien. Bei einem starken Wurzelwerk ist der Stickstoff-Düngeeffekt bestimmt ein höherer als bei einem schwächeren Wurzelsystem, wei es bei den Hochzuchtformen eher vorkommt.
Eine Ausnahme bietet die Sorte Marona, 8. Sie besitzt die Hochzuchtsorten-Eigenschaften wie zarte und fadenlose Hülsen. Sie hat aber die Landsorten-Eigenschaften von Robustheit, sicherem und hoeherem Ertrag, und eine kräftige Gestalt mit viel Biomasse. Sie ist eine altbewährte Sorte und von mir sehr zu empfehlen. Sie ist fast die einzige Sorte, die im biologischen Saatguthandel erhältlich ist.
Zum Standort der Bohnenversuche im Garten muss die feuchte Anbaulage betont werden. Da der Ort viel Untergrundwasser besitzt, ist es in trockenen Zeiten vorteilhaft, aber während der Regenperioden nachteilig, weil Staunässe und Pilze entstehen können. Allein unter diesem Aspekt ist es wichtig, die richtige Sortenwahl zu treffen. Die moderneren Sorten haben diesbezüglich grössere Probleme als die älteren (Land-)Sorten.
Abschliessend ist der Aspekt der Körnerfarbe zu erläutern und zu beachten. Bei der Sorte Odenwald wurden 3 Varianten gesät respektive 3 verschiedene Farbschattierungen der Körner. Aus verschiedenen Pflanzen wurde eine beliebige Menge weisse, lila-marmorierte und stark lila-marmorierte Körner selektiert und gesät. Die stark lila-marmorierten Körner zeigtn die höchsten Erträge im Gegensatz zu den weiss gefärbten Körnern. Es wäre interessant, die Stoffzusammensetzung der verschieden schattierten Körner innerhalb der Sorte zu untersuchen - ob ein Zusammenhang besteht zwischen Wüchsigkeit und Farbe bzw. Farbstoff. Dies soll als Anregung dienen, weitere Untersuchungen zu machen wie z.B. Rudolf Steiner es empfiehlt: eine neue Wissenschaft entwickeln nach Form und Farbe.
Obwohl die Ergebnisse dieses Versuchs sicherlich nicht ganz fehlerfrei sind (z.B. die verschiedene Sonnenlichteinstrahlung auf die Randreihen), wurde versucht, allgemeine Tendenzen und Prozesse zu beobachten.